GEW Rosenheim mit Prof. Dr. Klaus Weber, München
Hitlers „Mein Kampf“ – die Banalität des Bösen entmystifiziert
Zur kommentierten Neuausgabe des Instituts für Zeitgeschichte
Auf Einladung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Kreisverband Rosenheim sprach Professor Dr. Klaus Weber von der Hochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, zur gerade vorbereiteten kommentierten Neuausgabe des „verbotenen Buches“ durch das Münchner Institut für Zeitgeschichte im Rosenheimer „Z – linkes Zentrum in Selbstverwaltung“. Kreisvorsitzender Andreas Salomon konnte ein „volles Haus“ begrüßen mit Interessierten weit über den üblichen Kreis der GEWler. Professor Dr. Klaus Weber ist Erzieher und Diplompsychologe und forscht seit 30 Jahren zu den Themen Rassismus und Faschismus. Er ist ehrenamtlicher Projektberater für psychologische und sozialpsychologische Fragestellungen für das Institut für Zeitgeschichte im Zusammenhang mit der kommentierten Neuausgabe von Hitlers „Mein Kampf“. Gleich vorneweg, so Klaus Weber, das „Buch“ sei nicht verboten. Sein Besitz, Erwerb und Verkauf ist, anders als Kinderpornographie, nicht verboten. Man kann es im Internet oder Antiquariaten kaufen. Nicht erlaubt ist der Nachdruck, weil der Freistaat Bayern das Urheberrecht darauf hat; dieses läuft 2015 aus. Weber glaubt nicht, dass rechte Kreise dann eine Neuauflage auf den Markt bringen werden, denn „Nazis würden sich eh antiquarisch eindecken – Kaufpreis je nach Auflage und Ausstattung von 40 bis 8 000 Euro“. Gedacht ist an eine vierbändige kommentierte Ausgabe für ca. 98 Euro – Weber schätzt deshalb eine Auflage von 5 000 Exemplaren, also für einen engen Kreis an, vorzugsweise institutionellen, Käufern. Allerdings plant die Bundeszentrale für politische Bildung Auszüge mit Handreichungen für Schulen in Millionen-Auflage. Ein 7-köpfiges Wissenschaftler-Team arbeitet sehr akribisch an der Neuausgabe; anerkennend bemerkte Weber, dass der Startschuss unter der schwarz-gelben Bundesregierung fiel. Quasi jede Zeile aus „Mein Kampf“ wird daraufhin überprüft, was Hitler an wissenschaftlichen Erkenntnissen seiner Zeit wissen konnte und welche Belegstelle es gibt. Webers Resümee: Hitler hat kaum originäre Gedanken entwickelt, allerdings bündelt er den grassierenden Antisemitismus seiner Zeit und treibt ihn auf eine massenmörderische Spitze. Weber bedauerte, dass diese kommentierte Neuausgabe so spät komme, diene sie doch der Entmystifizierung eines hetzerischen Machwerkes und zeige die Banalität des Bösen. In der sehr breiten Diskussion trat Weber der Auffassung entgegen, dass „Mein Kampf“ das Werk eines Irren, deshalb wirr und schwer verständlich sei. Wenn man die Grundannahmen teile, so Weber, argumentiere Hitler durchaus logisch, also nicht verwirrt. Der erste Teil (über die Juden) wende sich eher an Parteigenossen und sei in einem „Proletenjargon“ geschrieben – was sich zwar, so Weber, mit einem bildungsbürgerlichen Anspruch nicht decke, aber gerade deswegen leicht zu lesen sei. Deshalb wurde von mehreren Diskutanten gefragt, ob dieses Buch „gefährlich“ sei. Nach Weber sei „Mein Kampf“, das subjektivistische Geschreibsel über die eingebildete nationale Drangsal, nicht konstitutiv für den Nationalsozialismus. In millionenfacher Auflage vorhanden, hätte es angeblich fast niemand gelesen. Aber seine ideologischen Konstrukte des Antisemitismus und des Konzepts eines Volks ohne Raum waren damals allgegenwärtig. So fragte auch Kreisvorsitzender Andreas Salomon in seinem Schlusswort, auch wenn und weil heute der Antisemitismus nicht manifest ist, was an judenfeindlichen Vorurteilen in der Gesellschaft vorhanden sei. Er sehe in der kommentierten Neuausgabe einen wichtigen Beitrag zur politischen Aufklärung. Es sei aber auch die Stadt Rosenheim gefordert, ihren Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte zu leisten. Salomon erinnerte an das Gedenken an Elisabeth Block durch eine Namensgebung der städtischen Realschule wie auch an die Aktion Stolpersteine vor den ehemals jüdischen Kaufhäusern in Rosenheim.